Berlin (Wedding, Mitte von Berlin), Müllerstr. 10-11, 13353 Berlin – Die Sonne scheint. Es ist noch nicht so viel los, der Parkplatz ist leergefegt. Das Gebäude ist mächtig in die Jahre gekommen. Hier lungert Netto supermarktartig als Einkaufsmeile herum. Im Sidestore links: Fressnapf. Herr Hundchen braucht ein Kaffee-Beißholz. Zur Übung für junge Zähne. Hundewelpen beißen gern auf Dingen herum. Das Kaffeeholz schafft Ablenkung von Wohnzimmer, Sofa, Schuhen und Textilien aller Art.
Auf dem Parkplatz spricht mich ein polnisch sprechender Pole an. Er radebrecht irgendwas unverständlich von „Wolle kaufe“ und „sprech nix gut deutsch“ – Er macht seinen Kofferraum auf: Ein ganzer Haufen Baumaschinen, Makita, er sagt „habe keine Geld“ und „wolle kaufe“. Ich kann mir die Herkunft der hochwertigen Baumaschinen bereits ganz gut im Kopf ausmalen. Ich lehne dankend ab. Ich nix kaufe wolle deutsche Baumaschine. Er lächelt. Mein Motorrad wurde nicht angetastet. Gott sei Dank.
Im Afrikanischen Viertel in Berlin (Wedding) lümmeln sich die Straßennamen vom afrikanischen Kontingent herum, ohne an ihre Bindung zur Heimat zu erinnern. Mächtig kolonialistisch gedacht, sind die Straßennamen hier Überbleibsel aus einem Kolonialwarenladen des Deutschen Kaiserreichs und seit – vorsichtig gesagt – 1918 aus der Mode. Doch im Sinne einer neuen bürgerlichen Wohnstruktur können Straßen hier ruhig weiter heißen, wie es einstmals in ganzen Quartieren so erdacht wurde. Afrikanische Straße, Damarastraße, Dualastraße, Ghanastraße, Guineastraße, Kameruner Straße, Kongostraße, Lüderitzstraße, Mohasistraße, Otawistraße, Petersallee, Sambesistraße, Sansibarstraße, Senegalstraße, Swakopmunder Straße, Tangastraße, Togostraße, Transvaalstraße, Ugandastraße, Usambarastraße und Windhuker Straße sowie der Nachtigalplatz. Einige Straßen sind längst umbenannt, weil man Geschichten vom deutschen Kolonialismus überdrüssig wurde.
Wir befinden uns in einem Viersaitenhof. Anders als auf brandenburgischen Ackerkrumen sind Vierseitenhöfe in Berlin solche in Sprungtuchgröße der Berliner Feuerwehr. Im Viersaitenhof hingegen wohnen jungsche Bassisten aus West- bzw. Ostdeutschland, die manchmal zu Bandproben eilen und häufig mit ihrer Freundin im Seitenflügel wohnen. Gegenüber ist häufig ein vietnamesisches Nagelstudio. Wer’s mag, genießt den unverbaubaren Blick in den Himmel über Berlin vom Innenhof aus, während die Gedanken Revue passieren und ein Müllbeutel zur Mülltrennung verbracht wird. Würden die Kraniche am Himmel ziehen, gut. Oder Fischreiher, ja Gänsegeier. Oder wir ziehen selbst am Himmel so lange, bis er nachgibt. Alles kein Problem. Für diesen winzig kleinen Augenblick. Hof- und Himmelsflächen bilden ungefähr gleich große Sprungtuchmaße: Unter einem auf dem Katzensteinpflaster. Über einem in der Cloud at the sky, und der Himmel ist viel viel größer als alles.
Ein Aufzugsschacht glänzt froschfleischfarben in minzfarbenem Koriandergrün. Viel zu weit. Deine Blicke gehen viel zu weit. (Dirk Zöllner). – An den Fassaden erbricht sich das Sonnenlicht in einem gepflegten Umbra, Umbra, Umbra, Täterä.
Anspieltipp: Toto, Africa (aus Toto IV, 1984)
Buchtipp: Johann Friedrich Geist, Das Berliner Mietshaus (in 3 Bänden)
16. August 2013 – Meiner Erinnerung nach ist das Krua Thai, Luxemburger Str. in Berlin (Wedding) ein einfacher, schlichter Asiate, so eine Art Imbiss, Mampffaktor Eins im Vorübergehen. Ladenfensterfronten zur Straße hin und wenn es warm ist, sind ´se offen.
Das möchte ich hervorheben, wunderbar ist, wie man thailändische Gelassenheit an diesem Ort vermutete. Sonst wäre es nicht zu diesem Foto gekommen. Es ist doof, Nationalitäten eine Grundhaltung nachzusagen oder diese gar anzudichten. Ich liebe, was am Thailändischen dranhängt, soweit ich rechtschaffen darüber reden kann. Diese Menschen sind vielfach richtige Glückskekse, die zu treffen die eigene Welt bereichert. Und die Küche. Mannometer: Vielleicht die beste Küche der Welt?
Gut, nicht im Krua Thai, das wäre übertrieben. Sagen wir so: Auf die beste Küche der Welt bauen Thais in ihrer Gastronomie gern auf. Ich finde den Laden super. Ich war zu lange nicht dort. Ich schreibe dieses Statement retrospektiv. Ich bitte buddhistisch um Vergebung: „Khop khun khap“. Mädels sagen übrigens „Khop khun kha“. Ich fand diesen aufgeklebten Zettel in Klarsichtfolie Weltklasse, seiner Dauerhaftigkeit wegen. Siehste, hat gehalten: Im November 2020 kommt das Foto aus dem Archiv direkt vor die Füße. Au weia. Schöne Grüße.