Alle zwei Jahre wieder meldet sich der TÜV-Termin. Abnahmefähig, auf Mängel kontrolliert, wird die Plakette zugeteilt. Oder nicht. Ich mache mir kaum Gedanken, Termin kann kommen. Schließlich ist das Motorrad fit im Zustand, hat seit 1998 gerade mal 23.500 km auf der Uhr und stand mehr als 10 Jahre auf Mallorca. Wo es wie Gift wirkt, der Zahn der Zeit nagte vor allem an Gummis wie Schläuchen.
Als ich es zurückbekam, empfahl mir Motorradkeller GmbH in Reinickendorf (Link unten) im November 2022, die Körperflüssigkeiten zu tauschen. Wenn ein Motorrad lange steht, gehöre sich das. Rund 200 Euro für Ölwechsel, Bremsflüssigkeiten, Getriebeöl. Irgendwann dies Jahr 2023 fing das Motorrad an, wechselnd links/rechts am „ABS“ zu blinken. Die Warnblinke sagt, dass das ABS es nicht tut. Allerdings gilt so ein Geblinke als Mangel im Sinne der TÜV-technischen Vorschriften. Also bemühte ich mich bei Motorradkeller GmbH in Reinickendorf um einen Termin. Ich fragte an und schilderte das Problem. Auch was gewünscht ist, fügte ich bei, die Beschreibung: „ABS blinkt ohne aufzuhören. Am Bordcomputer der BMW Fehler auslesen und zurücksetzen.“ Wenn das nicht geht, müssen Sensoren überprüft und ggf. gereinigt werden.
Vorweg die gute Nachricht: Das Motorrad hat jetzt TÜV (neu). Allerdings ist beides nicht bei Motorradkeller in Reinickendorf erledigt worden. Das war der Auftrag.
Nun paar schlechte und gute Nachrichten. Alles ist möglich, nichts un-.
Nach zwei Erinnerungen endlich Antwort per Email. Sie hätten viel zu tun, aber sie würden versuchen, das Motorrad dazwischen zu schieben. Ich solle es Montag früh bringen. Dann müsse es dort bleiben. Mittwoch ist der TÜV im Haus und es kann wieder abgeholt werden. Die Werkstatt ist übrigens ca. 110 km von meinem Zuhause entfernt, in Berlin.
Nachdem ich Montag nichts höre, auch nicht Dienstag, frage ich Mittwoch früh telefonisch nach. Ich muss das Abholen richtig einplanen. Erstmal großes Rätselraten, welches Motorrad, was ist der Auftrag? Nach betriebsinterner Klärung wird klar: Sie haben das Motorrad noch nicht angesehen. Wann der TÜV kommt? Das wissen sie auch nicht. Man weiß es nicht.
„Nicht empfehlenswert. Absprachen werden nicht eingehalten, keine Verantwortungsübernahme, grober Umgang mit dem Motorrad, unfreundlich und am Ende hat es mich viel Geld gekostet, mein Motorrad in einer anderen Werkstatt reparieren zu lassen. Es kam defekter aus dem Motorradkeller als es ursprünglich war. Geht gar nicht!“ Lessing, Internetnutzer/Bewertung – 21.11.16 – Quelle hier
Das lässt sich nie richtig sagen. Schnell wird klar: So kriege ich den TÜV nicht, Mittwoch ist passé. „Manchmal kommt er Freitag nochmal.“ Der Mann am Telefon beruhigt mich: Das ist doch nichts Ungewöhnliches. Häufig müssen wir auch Teile bestellen.“ Wir verabreden, nun wird gearbeitet. Ich höre wieder nichts. Auch nicht Montag. Ich rufe Montag früh an, hab den Chef am Telefon. Es ist vor der Bürozeit (10 Uhr), er fährt Server hoch. Er weiß nichts. Wir verabreden: „Ich rufe gegen Mittag nochmal an.“ Ich rufe kurz nach 12 Uhr an. Ein AB ist dran: „Zwischen 12 und 15 Uhr sind wir an Euren Motorrädern.“ sagt das Band, eine Nachricht kann nicht hinterlassen werden. Ich beginne mich massiv zu ärgern. Hätte er ja mal gleich sagen können. Ich schreibe eine kurze signifikante Email. Ich MUSS Bescheid wissen.
Wer sagt, er sei an meinem Motorrad, auf seinem AB und nicht telefonisch erreichbar ist, der tut häufig ganz was Anderes. Zum Beispiel wegfahren in einer großen, viel zu lauten amerikanischen Sportwagenchimäre. Aber das ist billige Polemik. – Man sagt auf Anrufbeantwortern häufig falsche Dinge, deswegen benutze ich keinen. Oder sollte ich etwa sagen: „Ich arbeite an Ihrer Akte!“ – Fremdschämen. Nein, es gibt einen Fachkräftemangel und selbst taugliche BüromitarbeiterInnen sind nicht einfach zu kriegen.
Nachdem ich wieder nur Stereotypisches höre (Werkstattsprech, der nicht aus Arbeit gespeist ist, also aus am Objekt gearbeitet haben) setze ich immer mehr nach und werde aufdringlicher. Nun gibt es Rückfragen der Werkstattmitarbeiterin bei den Monteuren eine Etage drunter. Ich muss warten. Schließlich: Das Motorrad blinkt noch immer. Der Fehler lässt sich nicht abschalten. Sie würden jetzt gern das Motorrad in alle Einzelteile zerlegen, ich müsste zustimmen. Das koste 400,- bis 450,- €. Es wird mir zu bunt. Ich fälle eine Entscheidung: Nein, ich stimme nicht zu, ich hole das Motorrad wieder ab. Am Mittwoch. You´re fired.
Nachdem ich meine Verarbeitung traumatischer Zustände abgeschlossen habe, ist in meiner persönlichen Row Zero jetzt wieder Platz für begeisternde Motorradwerkstätten, die mein Vertrauen verdienen.
Unterdessen suche ich nach der Rechnung vom letzten Mal. Es hatte geheißen: Alle Flüssigkeiten austauschen. Als wir das Motorrad vor dem Werkstatttermin leicht demontiert hatten, fiel meinem fachkundigen Freund Mario auf: „Also, die Bremsflüssigkeit ist definitiv nicht getauscht worden, guck mal, sie ist ganz schwarz.“ Ich verlange Prüfung, ob dies vergessen worden ist. Auf der Rechnung, also ist es. #Denkpause – Ich möchte den Beleg haben, dass angeforderte Ersatzteile von BMW Motorrad nicht lieferbar sind. Als ich das Motorrad Mittwoch um 10:30 Uhr abhole, ist der linke Rückspiegel stark gelockert. Für Fehlersuche „Allgemein“ (ohne Auskunft, was gemacht wurde) bezahle ich 150,- € plus MWSt. – pauschaliert. Ich fahre zu einer anderen Motorradwerkstatt in Spandau, Weiss. Der Mann erwartet mich schon.
Der Mann mit den goldenen Händen
Weiss ist Motorradmechaniker und war früher bei BMW tätig. Er fackelt nicht lange, nimmt die Seitenverkleidung ab, steckt sein Diagnosgerät ran, es erscheint die erwartete Fehlermeldung. Er sagt etwas ganz Logisches: Wenn das ABS auf Störung ist, dann tut es auch nichts mehr. Bis der Fehler beseitigt ist. Nach einer Erörterung, wie ein ABS funktioniert (er hat eins ausgebaut da), sagt er kurz: „So, und nun beseitigen wir den Fehler mal.“ Er resettet die Fehlermeldung, das Blinken ist aus. Das wars. Er macht kurz zwei Testfahrten auf und am Gelände in Spandau. Der Fehler ist weg. Ich bin sehr überrascht. Er hat von mir viel über Motorradkeller GmbH in Reinickendorf gehört und zuckt mit den Schultern. Er kennt und weist auf Bewertungen im Internet hin: Mal lesen. Guter Tipp, netter Typ.
Viele schreiben Schmarrn ins #Interhetz, so Zeugs, dass du dir nicht ausdenken würdest, weil du weißt: Wer Scheiße schreibt, ist Scheiße. Kritik muss auf den Punkt sein. Meine ist gerade noch emotional durchsetzt, ich bin so wütend auf den Reinickendorfer. Ich fühle mich eiskalt abgezockt, man hat versucht, mit mir Schlitten zu fahren.
Ich zahle 30,- € für die Auslesung und Beseitigung des Fehlers. Weiss erinnert sich an Einzelheiten unseres Gesprächs. Ihm fällt ein: Am Nonnendamm ist Küs-TÜV, eine Sachverständigenorganisation. Die gelten als gut, dort soll ich ohne Termin vorbeifahren, die machen das.
Die Fahrgestellnummer
Der TÜV-Prüfer vom Küs-TÜV hat allerdings ein Problem: Ob ich das Motorrad mal umlackiert habe am Rahmen? Nö. Er findet die Fahrgestellnummer nicht. Ich weiß nicht, wo sie ist. Ich schaue auf einer Internetseite dieses Motorrads nach. Die beschriebene Stelle ist lackiert. Keine Nummer eingeschlagen. Er sagt, das darf er nicht. Da muss ich zu einer speziellen TÜV-Prüfstelle, die ist hinter IKEA in Spandau, Pichelswerder Weg. Ich such die Nummer raus und rufe an. Es meldet sich das Berliner Callcenter vom TÜV, vermutlich Alboinplatz. Schnarrend, mit Telefondialog-Sprechsystem. Drücken sie hier, drücken sie da. Hoppsassa. Es gelingt mir nicht, einen Menschen aus Spandau ans Telefon zu kriegen. Wieder Stereotype: „Ich kann die Prüfer nicht ständig ans Telefon holen“, halts Maul, Kuh, denke ich. Früher ging das immer. No problem. Ihr müsst Dienst am Kunden leisten, sonst ists Essig mit euch. Das übersteigt ihre Kompetenzen. Ich kriege keinen ran.
Ich gehe nochmal auf die Website und lese noch tiefer rein. Jetzt wird klar: Es gibt zwei Stellen, wo sie immer ist. Die zweite hatte ich noch nicht gesehen, jetzt gucke ich nach: Da ist die Fahrgestellnummer. Der Prüfer sieht ein, das ist sie – ich habe TÜV neu.
Mit etwas Fantasie stelle ich mir vor, die Polizei hält mich an und kontrolliert das Motorrad. Sie finden die Fahrgestellnummer nicht. Ich werde in Handschellen gelegt, Ausnüchterungszelle, das Motorrad ist beschlagnahmt. Man hat mir alles abgenommen: Internetzugang ist nicht erlaubt. Bei der Berliner Polizei wird eine Sachverständigenkommission „Finde die Fahrgestellnummer“ gegründet. Nach 240 Tagen Beugehaft komme ich nüchtern aus der Zelle. Ich wache scheißgebadet auf. Es war alles nur ein furchtbarer Albtraum. So ein Schmarrn.
Mann oh Mann. Es gibt Tage, da wollte ich, ich wär mein Hund.
Lady Gaga – Always Remember Us This Way
Der Tag ist durch, so wie ich. Geschafft von allem, was anlag. Am Morgen danach ruft Weiss bei mir an und erkundigt sich: „Ist alles glatt gegangen mit dem TÜV?“ Nur so aus Interesse. Großartiger Mann, ich liebe solche Menschen. Muss am sozialen Gefälle liegen: Reinickendorf ist eben nicht Spandau. Während ich zu Recherchezwecken übers Wochenende viel im Internet lese, stoße ich auch auf Spuren des Werkstattinhabers in Reinickendorf. Bei den Rezensionen auf google-Maps findet sich einiges. Die meisten Bewertungen taugen nichts, da sie einmalige Erlebnisse mehr oder weniger schlecht widerspiegeln. Richtig gekonnte sind nicht darunter. Dafür bellt aber der Chef missliebige Kunden an, er bezeichnet Motorräder der Kunden als Chinaschrott. Ich muss lachen, aber ich sehe, wieviel Wut da ist. Die Wut ist ganz auf meiner Seite. Letztlich habe ich Glück: Es liegt alles ganz klar vor meinen Augen. Gerade nochmal rechtzeitig abgebogen. Ich schreibe schon seit Jahren keine schlechten Bewertungen mehr. Zuviel negatives Karma. Sollte ich bei bleiben. Nur noch gute Werkstätten, gleich von Anfang an aufsuchen. Nicht ärgern.
Mein Filmtipp ist eindeutig: Lady Gaga in dem Film „A Star is born“ – Kein Song berührt mich momentan mehr als Always remember us this way. Der ganze Film ist einfach bestechend. Und das heißt schon was. Ist auf #netflix wie ein zwei andere Sachen.
Weiterführendes
- Negative Tageserfahrung Nie wieder Motorradkeller GmbH
- Additiv hinzugefügt: Die Nutzerbewertung
- Additiv hinzugefügt: Meine Google-Bewertung (pdf)
- Negative und positive Tageserfahrung Küs TÜV Spandau – Als Prüfer weiß man wo, als Fahrer eines Motorrads allerdings auch 🙂
- Positivste Tageserfahrung Der Mann mit den goldenen Händen „Weiss weiß was er tut und das at it’s best“
- Shallow: Lady Gaga & Bradley Cooper live
Eine Antwort auf „#24.23 #Stadtguerilla – Motorradwerkstätten in Berlin, Männer mit goldnen Händen und TÜV-Prüfer #Stadtguerilla“